Der Dichter, das Heidedorf und Pfarrers Tochter -Hoffmann von Fallerslebens Beziehung zu Bothfeld- Als Dichter und Gelehrter hat sich Hoffmann von Fallersleben bereits zu Lebzeiten einen Namen gemacht. Doch dass der Schriftsteller das kleines Bothfeld nahe Hannover ganz besonders in sein Herz geschlossen hatte, dürfte nur wenigen bekannt sein.
Es war im Jahre 1836, als Heinrich Hoffmann von Fallersleben das beschauliche Dorf Bothfeld zum ersten Mal besuchte. Nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Göttingen war Hoffmann über Hannover nach Bothfeld weitergereist, um dort seine Schwester zu besuchen, die dort seit 1829 zusammen mit ihrem Gatten, dem Pastor Hermann Christian Friedrich zum Berge und deren damals fünfjähriger Tochter Ida lebte.
In seiner Selbstbiographie „Aus meinem Leben“ erzählt er über diesen Besuch: „Am 17. Oktober reiste ich in aller Frühe mit der Post nach Hannover und von da mit Extrapost nach Bothfeld zu meinen Verwandten. Zwei Tage war ich in Bothfeld, oder eigentlich in Hannover, denn jeden Tag machten wir dahin einen Spaziergang. Das Pfarrdorf ist nur eine kleine Meile von der Stadt entfernt. Als wir den ersten Abend heimkehren wollten, erschraken wir gar sehr, wir glaubten, ganz Bothfeld stehe in Feuer und Flammen. Es war das prachtvollste Nordlicht, das ich je gesehen habe. Stundenlang dauerte sein blutrot strahlender Schein.“
„Unpolitische Lieder“ – brisant und folgenschwer
Dass Bothfeld dann erst wieder 1849 in Hoffmanns Erinnerungen auftaucht, dürfte auf die
einschneidenden Veränderungen zurückzuführen sein, die Hoffmanns Leben in den vergangenen 13 Jahren erfahren hatte. In dieser Zeit ist aus dem Dichter und Gelehrten nach und nach ein unbequemer Kritiker der politischen Verhältnisse, eine „persona non grata“ geworden. Der Grund für diesen rapiden Stimmungswandel waren seine zwei zu jener Zeit veröffentlichten Gedichtbände, die den Titel „Unpolitische Lieder“ trugen. Sie enthielten schwere Angriffe gegen die politischen Kräfte jener Zeit, den Adel und die Fürsten. Die Folge war Hoffmanns fristlose Entlassung an der Uni Breslau, wo er eine Professur innehatte. Ohne Anspruch auf Gehalt und Pension, heimatlos, weil ihm die Hannoversche Regierung das Domizilrecht abgesprochen hatte, irrte er in Deutschland, Holland, Österreich und der Schweiz umher.
Aufgrund der politischen Lage waren Besuche in Bothfeld für Hoffmann höchst gefährlich. Beunruhigt mussten nämlich die Organe des Innenministers feststellen, dass es im Königreich Hannover vielerorts gärte – so auch im Amte Langenhagen und der Vogtei Bothfeld. So herrschte besonders in den ärmeren Volkskreisen Unmut darüber, dass man bei der Agrarreform übergangen wurde. Im hannoverschen Innenministerium war sicherlich bekannt, dass Hoffmann mit den Regierungsgegnern sympathisierte.
Heirat, Ausweisung und glückliche Jahre
Trotz allem wagte er es, 1849 hannoverschen bzw. Bothfelder Boden zu betreten, um Schwester und Schwager wiederzusehen. Doch der Hauptgrund des Besuches war seine damals 18-jährige Nichte Ida, die den erstaunten Eltern mitteilte: „Onkel und ich sind übereingekommen, dass wir uns heiraten wollen“. Nur kurz darauf,
am 28. Oktober 1849 feierte Hoffmann – von der Obrigkeit unbehelligt – in Braunschweig seine Hochzeit mit Ida zum Berge. Wenig später zog das Paar nach Bingerbrück an der Nahemündung.
Als Hoffmann mit Ida 1853 einmal wieder in Bothfeld weilte, wurde er endgültig aus dem Königreich ausgewiesen. Schließlich hatte er in der Zwischenzeit weder dem liberalen Gedankengut abgeschworen noch den Kontakt zu seinen regierungskritischen Freunden abgebrochen. Die Hannoveraner, die die Ausweisung in der Mehrheit sicher missbilligt hätten, bekamen aufgrund der strengen Pressezensur jener Tage nichts davon mit. Die Hoffmanns zogen nach Weimar, wo sie ihre schönsten Jahre erlebten. Dort führten sie eine harmonische Ehe und ein glückliches Leben, umgeben von Menschen hoher Kultur. Hoffmann wurde nicht müde, die Vorzüge und Fähigkeiten seiner Frau, der Bothfelder Pfarrerstochter, zu preisen.
Sehnsucht nach Bothfeld
Doch all dies konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden von Sehnsucht nach der Heimat, dem stillen Dorfe Bothfeld, erfüllt waren. Schließlich war es Ida, die im Sommer 1858 kurzentschlossen ein Gesuch an den Innenminister verfass-te, das Aufenthaltsverbot ihres Mannes aufzuheben. Mit enormem Mut und Beharrlichkeit verfolgte sie das Ziel, wieder gemeinsam mit Hoffmann die Heimat Bothfeld zu besuchen, auch nachdem sie keine Antwort auf ihr Schreiben erhielt. Auch als sie nach einer beschwerlichen Reise nach Hannover abgewiesen wurde, gab die tapfere Bothfelderin nicht auf. Sie erreichte eine persönliche Audienz beim Innenminister und setzte zumindest durch, dass ihrem Manne „bis auf weiteres der Aufenthalt bei Ihrer Frau Mutter zum Besuche gestattet ist“.
Wieder in Bothfeld pflegte Hoffmann sehr zur Missbilligung der Obrigkeit wie üblich den Kontakt mit seinen Freunden von der Gruppe der Liberalen. Nachdem er praktisch unter Hausarrest gestellt worden war, reiste das Ehepaar nach nur gut einem Monat wieder nach Weimar ab. Sie sollten Bothfeld niemals wiedersehen. Nur gut zwei Jahre später wurde Ida, die bereits zwei ihrer drei Babys verloren hatte, von einem toten Kind entbunden. Am 28. Oktober 1860 starb sie – nach nur 11 Ehejahren mit Heinrich Hoffmann von Fallersleben.
Quellen:
Wilhelm Winkel, Heinrich Hoffmann von Fallersleben und seine Beziehungen zum Dorfe Bothfeld bei Hannover, in Hannoversche Geschichtsblätter, N.F. 29 (1975).
Die Handzeichnung „Hoffmann von Fallersleben“ von Fröhlich. Nach: Boehn, M.v. , Biedermeier. Berlin 1924. Handzeichnungen „Pastor Hermann Christian zum Berge, seine Frau (Auguste Dorothea) und Tochter Ida“ von Preller d. Ä..Originale im Hoffmann von Fallersleben-Museum in Fallersleben.