Die beiden Weltkriege haben in Deutschlands kollektivem Gedächnis tiefe Spuren hinterlassen. Es brauchte mehr als 70 Jahre um aus der maßlosen Trauer und Bestürzung eine einigermaßen objektive Erinnerungskultur entstehen zu lassen. Direkt nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, wurden an der Bothfelder Nicolai-Kirche durch Kriegervereine Denkmale geschaffen, die im Geiste ihrer jeweiligen Zeit gehalten, eher rückbesinnend, den Gefallenen und Kriegsopfern aus den Stadtteilen Bothfeld und Klein-Buchholz / Lahe gedachten. Der Blick nach vorn, einen permanant für alle Seiten gerechten Frieden einzufordern, war mit ihnen weniger verbunden. Die neue Doppelstele „Frieden“, genau zwischen den beiden alter Kriegerdenkmalen platziert, gelingt das jetzt. In Anwesenheit von Ministerpräseident Stefan Weil wurde sie am 11. November 2018 enthüllt.
Das neue Friedensmahnmal, in einem beschränkten Wettbewerb erarbeitet, soll zum Diskurs über die Formen früheren und gegenwärtigen Erinnerns und über mögliche Wege zu ein friedlichen Miteinander anregen. Dabei hat die Bothfelder Nicolai-Gemeinde und ihr Pastor Dirk Rademacher den Anstoß gegeben. Das neue Friedensmal ist in das nördlich des Turm angesiedelte Ensemble eingebettet, es soll einen Ort der Begegnung und der Kommunikation darstellen.
Die eingesetzte Findungskommission
um Pastor Dirk Rademacher empfahl dem Kirchenvorstand der Nicolai-Kirche dann im März 2017 den Entwurf des Lübecker Künstlers Winni Schaak umzusetzen. Er wurde letztlich ausschließlich durch Spenden (hier besonders die Hannoversche Volksbank sowie einzelne Privatpersonen), durch Zuwendungen (u.a. einer Benefiz-Veranstaltung des Bothfelder Künstlers Matthias Brodowy) und Kollekten realisiert.
Der Künster Winni Schaak wurde 1957 in Kropp, südlich Schleswig geboren und studierte nach einer Ausbildung zum Schmiede- und Schlossermeister von 1986-1990 Bildhauerei in Aachen. Seit 1992 arbeitet er als freischaffender Künstler, seine Arbeiten von mehr als 20 Großskulpturen stehen permanent im öffentlichen Raum und wurden mehrfach ausgezeichnet. Bei ihm entwachsen nebeneinander zwei rostfarbene, dreieckige Stelen aus wetterbeständigem COR-TEN Stahl (COR für den starken Rostwiderstand [engl. CORrosion Resistance] und TEN für die erhebliche Zugfestigkeit [engl. TENsile strength]) dem Untergrund bis zu einer Höhe von 2,30m. Die beiden Stelen werden beieinander gehalten durch zwei Schriftbänder. Eines umschlingt sichtbar die Säulen, das andere ist unsichtbar und besteht aus Begriffen, die in die Stelen ringförmig eingelassen sind. Die beiden Schriftbänder tragen die Begriffe:
- FAMILIE _ GEMEINDE _ GESELLSCHAFT _ WELT
und
- LIEBE_FRIEDE_ACHTUNG_FREIHEIT_SCHUTZ
Die Doppelstele bietet
vielfältige Anknüpfungspunkte zur Deutung – für junge Menschen genau wie für ältere Menschen. Bereits in seiner Ansprache zur Enthüllung führt der Künster Winni Schaak aus, dass seine Stelle vielleicht symbolisch für Mann und Frau stünde, die umschließenden Bänder für die Umarmung, das Zusammenleben. Pastor Dirk Rademacher ergänzte in seiner Predigt, dass das Friedensmal „den Horizont für jeden Gedenken [bildet], das es in die Gegenwart sprechen will – indem es in die Zukunft weißt.. [und uns mahnt] nicht einfach dazustehen und zuzuschauen, wenn mit der Maske der Angst der Frieden unter uns zerstört werden soll“.
Ministerpräsident Stefan Weil
betonte als Festredner die Bedeutung des Friedens. „Frieden ist nicht alles, aber ohne den Frieden ist Alles nichts“, sagte Weil, der damit Willy Brandts Worte zitierte, die dieser 1981 in einer Festrede anläßlich eines Verlags-Jubiläums gehalten hatte. Weil ergänzte, dass dieser Frieden sowohl für die äußere Umgebung als auch für dien inneren Friede gelte. Im jedem Fall, so der Ministerpräsident, könne die Bothfelder St.Nicolai-Gemeinde stolz auf die Doppelstele „Frieden“ sein.